Dienstag, 31. Januar 2012

Einheit 3 - 2. Stunde: Volumen, 24.1.12

Die zweite Stunde der Einheit 3 führte ein weiteres Verfahren oder genauer gesagt eine andere Sicht auf die räumliche Ausdehnung dreidimensionaler Körper vor.
So selbstverständlich uns das visuelle Phänomen der Wölbung auch erscheinen mag, es hat einer enormen kulturellen Anstrengung bedurft, das Geheimnis der Darstellung von Körperlichkeit in einer zweidimensionalen Zeichnung zu lüften, da es dazu einer gewissen geometrischen Abstraktionsfähigkeit bedarf.

Als Hilfestellung habe ich Ihnen das dreidimensionale Drahtgittermodell eines gemeinen Hausschweines vor Augen gestellt, das im Kern den Hilfskonstruktionen der Körper- und Raumdarstellungen der Meister der Renaissancezeichnung und -malerei entspricht:




Das Prinzip, die Dinge "durchsichtig" und wie aus feinem Draht gebaut zu begreifen, können Sie seit der Renaissance bis hin zu modernen virtuellen Computeranimationen beobachten (hier spricht man von sog. "Drahtgittermodellen" als Basis für dreidimensionale Erscheinungen in 3-D-Programmen).

Eine ausserordentlich lehrreiche Abbildung zu diesem Ansatz und zu allen weiteren Übungen dieser Einheit finden Sie in Leonardos glücklicherweise unvollendet gebliebenen Gemälde "Anbetung der Könige", das die Raumkonstruktion und "transparente" Anlage des Gemäldes wie auf einem Reissbrett bis ins kleinste Detail durchführt:



„Perspektiven-Studie für den Hintergrund der Anbetung der Könige “



In den Übungen des Abends versuchten wir anhand einfacher dreidimensionaler Gegenstände, die wichtigsten Elemente dieses Phänomens zeichnerisch zu erfassen.
Sie sollten anhand einer Kugel bzw. eines durchsichtigen Luftballons, dessen "Äquator" und "1.Breitengrad" wir mit einem Filzschreiber markierten, die Körperlichkeit des Gegenstands nachzeichnen und dabei beobachten, welche Verformungen die Kreisbahnen je nach Lage und Blickpunkt nehmen. Sie stellten mit Sicherheit fest, dass auch dies intellektuell schnell erfasst, aber noch längst nicht so schnell gezeichnet ist. 



Ellipsen sind vertrackt und bedürfen der Übung!








Warmups :

1) Ein grosses Blatt voller Bögen und Schwünge - um in Schwung zu kommen. 

2) Ein grosses Blatt voller Kreise.


Übungen:

1) Luftballons:

Die leider nicht ganz so durchsichtigen Luftballons galt es mit einem Äquator und wenigstens einer umlaufenden Linie ( Längen- und Breitengradmarkierung) zu versehen und so aus jedem denkbaren Blickwinkel zu zeichnen. Dabei sollten Sie die Art der Verkürzung der Kreisbahnen zu Ellipsen beobachten. 
In der räumlichen Zeichnung sind Ellipsen räumliche Objekte, die den Gesetzen der Perspektivkonstruktion folgen. Im Augenblick galt es dies nur zu beobachten, die Konstruktion der räumlichen Verkürzung werden wir in einer der kommenden Stunden gemeinsam erfahren.
Sie können das beobachtete Phänomen mit Hilfe eines einfachen Wasserglases jederzeit studieren. Beobachten sie, wie die Kreisbahnen der Deck- und Bodenflächen unterschiedliche Formen bzw. Stauchungen von Ellipsen aufweisen. Nur allein die Darstellung dieser unterschiedlichen Stauchungen und Verkürzung  ist schon ein Hilfsmittel bei der Zeichnung, Räumlichkeit stimmig und plausibel darzustellen

Wer Genaueres über das Phänomen der Ellipse erfahren möchte, kann sich über einen Wikipedia-Artikel hier informieren, der auch Anforderungen der Mathematik beschreibt - und erfüllt ;-) . Wir begnügen uns in diesem Rahmen mit der sog. Gärtnermethode, die für unsere Zwecke hinreichend ist.

2) Das Gelernte ist auf handelsübliches Obst und Gemüse zu übertragen. Zeichnen Sie Birnen, Äpfel, Paprika und alles, was gewölbt ist. Zunächst durchsichtig und mit einem Gittermodell versehen, dann verbinden Sie diese Beobachtungen mit den Beobachtungen der vorangegangenen Stunde und tragen die auffallendsten Überschneidungen ein.
Anhand dieser einfachen Zeichenelemente sind Sie ab jetzt in der Lage, ohne komplizierte geometrische Raumkonstruktion plausible plastische Objekte zu zeichnen.




Dienstag, 24. Januar 2012

Einheit 3 - 1.Stunde: Raum I (17.1.2012)

Mit der Einheit 3 wechseln wir zu einem den beiden vorangegangenen Einheiten völlig entgegengesetzten Ansatz. Alle Linkshirner werden jubeln, der Rechtshirner stöhnt und jammert...;-) (...und wer bei beidem jammert, dem sollte das zu denken geben. Es gibt keinen einfachen Weg zum Zeichnen.Leider.)

Wir  fallen nun kunsthistorisch gesehen sehr weit zurück, bis mindestens zu Phidias, dem griechischen Bildhauer um etwa 500 v.Chr. (Akropolis z.B.), oder wenigstens zum Beginn der Renaissance in Europa im 14. Jahrhundert.

Wenn man von einer klassischen und soliden Grundausbildung im traditionellen Zeichnen spricht, meint man den Lehrplan, den ich Ihnen in dieser Einheit in einem Schnelldurchlauf bis Ende Februar vorerst nur einmal skizzieren möchte.

Für viele sind die dort vorgestellten Methoden und die damit einhergehenden klassischen Sichtweisen gleichbedeutend mit "richtig" zeichnen lernen.

Ich möchte diese Frage hier nicht diskutieren und schon gar nicht beantworten, welcher Ansatz nun zum richtigen Zeichnen führt. Ich kann nur jetzt schon sagen, dass Sie  als Zeichner alles angeschaut, beurteilt und ausprobiert haben sollten, um Ihren eigenen Weg zu finden. Vergessen Sie jedenfalls alles bisher Gelernte nicht!



Die Einheit 3 hat folgende Themen:

1 RAUM - wie man eine dreidimensionale Ansicht in eine zweidimensionale so verwandelt, dass es die Illusion von Räumlichkeit in einer Zeichnung schafft. Dass dies eine Abstraktion ist und bleibt und zudem ein kulturelles Phänomen ist, sollte Ihnen zu denken geben.
Das Thema des Raumes zieht sich durch die ganze Einheit. In der ersten Stunde geht es zunächst nur um ganz simple Feststellungen, dass man weiss, wo oben und unten und vorne und hinten ist und um den Sonderfall der Verbiegungen und Verkürzungen.

2 MASSE und VOLUMEN - mit dem Wegfall des scharfen S in der Großschreibung haben wir hier eine schöne Doppeldeutigkeit. In dieser Einheit geht es um beides: Das Messen, also das Maß der Dinge und zugleich um deren Volumina, deren Masse. Und ganz einfach gesagt, geht es darum, Verfahren zu finden, die Ausdehnung und Wölbung von Körpern zu sehen und in 2D-Ansichten zu abstrahieren.

3 PROPORTIONEN - was sich im Vorangegangenen beim Messen und in der Beobachtung der Wölbungen der Dinge andeutete, wird hier genauer untersucht: Wie sehr Form durch das Verhältnis der Teile zueinander und dem Umgebenden bestimmt sind. Dass es so etwas wie Rhythmen in der Gestaltung gibt und dass es schon immer Versuche gab, diese in mehr oder weniger fassliche Formeln zu pressen. 

4 PERSPEKTIVE - alle bisher gemachten Beobachtungen scheinen in einem Konzept der Gesamtsicht der Dinge plausibel und konstruierbar aufzugehen - wenn man den Blick fixiert auf wenige unbewegliche Punkte. Der Reiz dieser Konstruktionen liegt in der beschaulichen Dauer eines beinahe ewigen Anblicks der Dinge - und den konstruieren wir quasi mathematisch mit Zirkel und Lineal. Zumindest ansatzweise.
Einfach ausgedrückt, zeige ich Ihnen 2,3 traditionelle und klassische Ansätze, eine plausible Gesamtraumansicht zu zeichnen, in der die Dinge am richtigen Platz sind..."wie in echt"!

5 LICHT/SCHATTEN und TEXTUR - die Konstruktion von Licht und Schatten schliesst sich direkt an das Thema des Raumes an. Licht und Schatten folgen den Prinzipien des (gedachten oder konkreten) Raumes, in dem sich eine Lichtquelle (ob künstlich oder natürlich) befindet. Dass das Licht und der Schatten zudem noch ein Licht auf die Qualität der Oberflächen werfen, werden Sie sehen.



Die Mysterien des Raumes, Teil 1 (Mikroraum) :

Zum Auftakt nähern wir uns dem Raumphänomen in ganz kleinen Schritten, die aber einen großen Unterschied machen.
Wir sehen das Phänomen des Raumes als ein ganz einfaches Hinter- und Übereinander der Formen, die sich überschneiden und verdecken.
Die Ihnen ausgeteilte Übung aus Daucher S.48 zeigt Ihnen das auf einfachste Weise. Bitte zeichnen Sie diese Übungen nach, erfinden Sie weitere Schichtungen, Überschneidungen, Hinter- und Übereinandergeschichtetes.


Ich habe Ihnen anhand zweier ungleich grosser Knetkugeln, die sich zu einer Form verbunden als eine sehr vereinfachte Birnenform deuten lassen, gezeigt, dass es an sich nur 
3 verschiedene Grundformen der Überschneidung gibt, die dem Auge plausibel andeuten, von wo aus man auf einen Gegenstand schaut. 
Und dabei spielt es keine Rolle, wie gross die Form im Vordergrund ist, die Art der Überschneidung zeigt eindeutig, wo vorne und hinten oder oben und unten ist.





Lediglich ein Sonderfall existiert, in der eine Form von Verdrehung dargestellt wird. Diese Art der Überschneidung werden Sie häufig anwenden müssen, wenn Sie bewegte Menschenkörper zeichnen.

Dieses Darstellungsprinzip ist schnell erklärt und leicht zu verstehen. Seltsamerweise existieren dennoch tonnenweise Zeichnungen von Zeichnern, die diese Beobachtung niemals gemacht zu haben scheinen. An organisch geformten Körpern in der Natur sind diese Überschneidungen mitunter sehr subtil und vielfältig, machen aber richtig verstanden den Kern einer glaubhaften Darstellung von Körperlichkeit aus. Ohne die genaue Beobachtung dieses Phänomens nutzt Ihnen jede noch so ausgefeilte Perspektivkonstruktion und Licht -und Schattenmagie nichts, sie kriegen den Apfel oder die Birne oder was auch immer nicht "rund" und schon gar nicht zum liegen...



Übung des Abends:

1) Formen Sie aus einem Klumpen Ton, Knete oder Plastilin 2 ungleich grosse Kugeln und verbinden Sie diese zu einer annähernd birnenähnlichen Form.
Markieren Sie die Mittelachse des Körpers durch das Durchstechen eines Holzstäbchens (Schaschlikspiess tuts auch).
Zeichnen Sie dieses Gebilde aus allen nur denkbaren Positionen, von oben, unten, links, rechts, vorne und hinten und achten Sie insbesondere darauf, wie sich die Konturüberschneidungen verhalten, je nachdem, von wo aus Sie auf das Objekt schauen.



2) Im nächsten Schritt machen Sie diese Beobachtungen an einer realen, natürlichen Birne. Sie werden erleben, dass Sie mit der vorangegangenen Vorübung schon genauer zu sehen lernen, wie man das Phänomen der Überschneidung an natürlichen Körpern entdeckt, allerdings werden Sie bemerken, dass das hier schon weitaus subtiler und komplizierter ist. 
Bitte zeichnen Sie eine Birne aus allen nur denkbaren Blickwinkeln und achten Sie auf die Zusammenhänge der Überschneidungen!




Montag, 9. Januar 2012

Unterrichtsausfall am 9. und 10. Januar

Wegen einer Familienangelegenheit muss leider  heute und morgen in beiden Kursen der Unterricht ausfallen. Ich bitte Sie das zu entschuldigen.
Ich beabsichtige, die ausgefallenen Stunden zum Ende des Kurses anzuhängen, sofern Sie damit einverstanden sind und es auch einrichten können.
Die VHS Leitung wird Sie auf alle Fälle kontaktieren.

Mit freundlichen Grüssen
S.Kuhlbrodt

Freitag, 6. Januar 2012

Einheit 2 - 6.Std, Demo und Zusammenfassung E1 und E2, Di. 20.12.11

Zum Abschluss der 2. Einheit habe ich Ihnen den Zusammenhang der ersten beiden Unterrichtseinheiten erläutert und entsprechende Beispiele aus der neueren Kunstgeschichte gezeigt, die illustrierten, welche Absichten ich mit dem Aufbau des Kurses verfolge.


In der Einheit 1 entdeckten Sie die expressiven Möglichkeiten Ihres Zeichnens, in Einheit 2, mit dem Schwerpunkt bei der Wahrnehmung, die impressiven  Qualitäten des Zeichnens.


Nicht von ungefähr korrespondieren diese Ansätze mit kunstgeschichtlich näheren Stadien der Entwicklung der Zeichenkunst. Schauen Sie sich Zeichnungen des Expressionismus und Impressionismus an, Sie werden entdecken, wie nah unsere Übungen diesen Strömungen sind. 
( Die gezeigten Bilder stammten von: De Kooning, Arshile Gorky, Dubuffet, Paul Klee, Kandinsky, Slevogt, Liebermann, Klimt, Schiele, Degas. Wenn Sie die einzelnen Künstler genauer interessieren sollten, genügt die Eingabe des Namens bei google oder Wikipedia)


Auch alle folgenden Stile des 20. Jahrhunderts sind damit verwandt (z.B. Abstrakter Expressionismus, Informel etc). Sie alle teilen im Kern zumindest eines, dass sie allesamt ihren Schwerpunkt in der Persönlichkeit des Zeichners haben und mehr oder weniger ihre eigene Gesetzmässigkeiten entwickeln.
Sie sind also im Wesentlichen individuell und subjektiv - und zumeist originell. 


Mit dem Ende der Einheit 2 verlassen wir für den Rest des 1.Semesters die neueren Entwicklungen in der Zeichnung und wenden uns 2012 den klassischen Methoden des Zeichnens zu.


In einer kleinen Demo mit Kamera und Beamer habe ich weiterhin eine zeichnerische Zusammenfassung der Methoden dieser Einheit gegeben.
Insbesondere ging es mir dabei darum, noch einmal zu zeigen und zu betonen, wie unangestrengt und spielerisch das sog. gestische Zeichnen aufgefasst werden kann. Ich meine es wirklich völlig ernst, wenn ich Sie ermuntere, so schlecht wie nur möglich zu zeichnen - tatsächlich aber erleben Sie, dass es einiger Überwindung bedarf, sich diese Freiheit zu erlauben. Und das zu üben, bleibt weiterhin der eigentliche Sinn der kurzen Posenzeichnungen, die wir auch 2012 als Warmzeichenübungen beibehalten werden.


Warmups:


5 x 1-Minute Posen , Stehender
gestisch mit grobem Zeichenwerkzeug


5 x 1-Minute Posen, Sitzende
gestisch mit grobem Werkzeug


5 x 1-Minute Posensequenz vor Rechteck
"Negativer Raum"


2 x je 5-Minuten Sitzender, Stehende
Kombination aus allen Methoden, insbesondere Blindzeichnen, Beobachten von Details


Übung des Abends:


Wechselseitiges Portraitieren des Gegenüber beim Zeichnen an der Staffelei.


Die Anforderung hierbei ist leicht gesteigert, da Sie ein dauernd bewegtes Gegenüber zu erfassen versuchen und sich immer wieder gerade Eingeprägtes nur noch in der Erinnerung abrufen können - eine Situation, die geübt werden muss, die aber der realen Anforderung beim Zeichnen von lebendigen Menschen und Tieren entspricht.
Wenn die Resultate vorerst nicht Ihren Erwartungen entsprechen sollten, ist das völlig normal. 
Ich möchte Sie mit dieser Übung dazu ermutigen, sich öfter dieser Aufgabe zu stellen, indem Sie zu Hause oder unterwegs üben, Szenen schnell zu erfassen und das für Sie Wesentliche zu Sehen lernen (und am Besten auch noch in einem Skizzenbuch festhalten...)


Ich wünsche Ihnen allen ein gutes Neues Jahr 2012 und freue mich, Sie am 10. Januar wieder zu sehen!