Zu Beginn des Abends habe ich Ihnen noch einmal alle bislang erarbeiteten Methoden der Einheit zusammengefasst und eine zugegebenermassen sehr subjektive Bewertung versucht:
1 Gestisches Zeichnen/einfühlendes Zeichnen (ideomotorisch):
Hier geht es in erster Linie darum, die Handlung, Action, Bewegung einer Person oder eines Gegenstands recht schnell zu erfassen und ohne allzu genaue Beschreibung festzuhalten.
+ Stellt Verbindung her, im besten Fall so etwas wie Einfühlung und innerer Nachvollzug.
- Ästhetisch erst einmal gewöhnungsbedürftig, da Schönheit hier nicht das Thema ist.
2 Symmetriefiguren
Übungen, die die rechte Hirnhälfte bewusst machen und auf Trab bringen.
+ Schaltet Auge und Hirn auf reine Wahrnehmung, übt zu sehen, wie etwas geformt ist.
- (ich finde keine Nachteile...)
3 Auf den Kopf Gestelltes zeichnen
Diese Methode schaltet das gewohnte Urteilen nahezu aus und schult das Sehen des Gesamten.
+ Überlistung der Kontrollbedürfnisse und Gewohnheiten.
- Nicht so ohne Weiteres mit realen Studienobjekten machbar.
4 Blindzeichnen
Zugegebenermassen mein persönlicher Favorit. Sie werden erlebt haben, dass man tatsächlich genauer Hinzuschauen lernt, wenn man die Hürde der Verunsicherung überwunden hat.
+ Synchronisiert Auge und Hand unter Umgehung allzu starker Einsprüche des inneren Kontroletti. Mit der Zeit gleicht sich die Bilanz von Kontrollblicken auf das Zeichenblatt und Blicken auf das Modell aus. Ziel sollte sein, mehr auf das Modell als auf das Zeichenblatt zu schauen.
- Ohne Modell geht gar nichts.
5 Negativer Raum
Eine Methode, die sich bei sehr komplizierten und stark gegliederten Objekten eignet, bei der man versucht, nicht das Objekt selbst, sondern die leere Umgebung zu erfassen und zu zeichnen.
+ Man sieht und lernt, dass sich die Dinge immer in einer Umgebung befinden und diese die Dinge auch definiert. Figur und Grund ergänzen sich zu einem Ganzen.
- Räumliches wird sehr stark auf Scherenschnittartiges, Flaches reduziert.
Vorteile aller 5 Methoden:
Insgesamt führt die Anwendung jeder dieser Methoden unweigerlich dazu, allmählich die Dinge um uns wirklich und ohne Klischees sehen zu lernen.
Das Sehen muss man lernen. Das Sehen kann man lernen.
Als Zeichner können Sie jederzeit auf eine oder gar gleich alle Methoden auf einmal bauen, je nach Situation und Aufgabe.
Nachteile dieser Methoden:
Sie erarbeiten hiermit ein Sehen, das jederzeit ohne jedes Wissen um die kulturell vermittelten Seh- und Zeichenmethoden auskommt. Aber: Sobald Sie kein Modell vor Augen haben und aus der Erinnerung oder dem Kopf zeichnen wollen, nutzen Sie Ihnen gar nichts. Sie sind also stark mit Ihren Sinnen verbunden und weniger mit Ihrem Denken.
Womit wir an dieser Stelle am Ende von Einheit 2 angelangt sind.
In Einheit 3 stelle ich Ihnen diese kulturell und traditionell vermittelten Zeichenmethoden vor.
Auf eine Rangfolge verzichte ich, stattdessen möchte ich Sie ermuntern, diese wie ich finde sehr effektiven Methoden weiterhin zu üben und in Ihrem Skizzenbuch häufig anzuwenden.
Techniken des Zeichnens:
An diesem Abend habe ich Ihnen die Verwendung unterschiedlicher Zeichenfedern vorgeführt und Ihnen zum Ausprobieren gegeben. Wenn es auch anfangs schwieriger erscheint, unterstützt das Zeichnen mit der Feder die Entwicklung eines guten Strichs. Gerade die Übungen zum Konturzeichnen eignen sich besonders gut dafür. Insbesondere das häufige Eintauchenmüssen z. B. unterstützt nebenbei auch noch, dass man nicht zu eilig Linien "hinhaut", sondern geduldig und langsam arbeitet.
Wenn Sie feststellten, dass das Federzeichnen "Ihr Ding" (einige von Ihnen habe ich da im Auge...) ist, dann empfehle ich Ihnen diesen Händler, der alte und gut brauchbare Zeichenfedern verkauft. Alles, was Sie sonst so üblicherweise im Schreibwarenhandel oder sogar bei boesner bekommen, ist absolut untaugliche, schlecht produzierte Ware, weil diese Kultur seit Jahrzehnten perdü ist...
http://www.kalligraphie.ch
Schreibfedern, Spitzfedern, Zeichenfedern sind die richtigen Rubriken!
Warmups:
- Alle Linienarten (Gerade, Gebogene, Unregelmässige) sollten Sie mit der Feder zeichnen und damit locker und entspannt ein Blatt füllen. Das Ziel dabei ist es, sich mit der Feder vertraut zu machen.
Übungen:
Als Zusammenfassung der o.g. Methoden, zeichneten Sie dieses Mal alle auf dem Tisch ausgebreiteten Objekte je nach Belieben mit Hilfe von Tusche und Feder. Versuchen Sie sich entweder mit gestischer Zeichnung oder Blindzeichnung mit den unterschiedlich komplizierten Formen und den Einzelheiten der Strukturen und Texturen vertraut zu machen.
(Aus irgendeinem Grund habe ich es letztes Mal versäumt, Fotos Ihrer Arbeiten zu machen. Wer mag, den möchte ich bitten, heute eine Arbeit des Abends mitzubringen, dass ich das nachholen kann.)
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