Wir fallen nun kunsthistorisch gesehen sehr weit zurück, bis mindestens zu Phidias, dem griechischen Bildhauer um etwa 500 v.Chr. (Akropolis z.B.), oder wenigstens zum Beginn der Renaissance in Europa im 14. Jahrhundert.
Wenn man von einer klassischen und soliden Grundausbildung im traditionellen Zeichnen spricht, meint man den Lehrplan, den ich Ihnen in dieser Einheit in einem Schnelldurchlauf bis Ende Februar vorerst nur einmal skizzieren möchte.
Für viele sind die dort vorgestellten Methoden und die damit einhergehenden klassischen Sichtweisen gleichbedeutend mit "richtig" zeichnen lernen.
Ich möchte diese Frage hier nicht diskutieren und schon gar nicht beantworten, welcher Ansatz nun zum richtigen Zeichnen führt. Ich kann nur jetzt schon sagen, dass Sie als Zeichner alles angeschaut, beurteilt und ausprobiert haben sollten, um Ihren eigenen Weg zu finden. Vergessen Sie jedenfalls alles bisher Gelernte nicht!
Die Einheit 3 hat folgende Themen:
1 RAUM - wie man eine dreidimensionale Ansicht in eine zweidimensionale so verwandelt, dass es die Illusion von Räumlichkeit in einer Zeichnung schafft. Dass dies eine Abstraktion ist und bleibt und zudem ein kulturelles Phänomen ist, sollte Ihnen zu denken geben.
Das Thema des Raumes zieht sich durch die ganze Einheit. In der ersten Stunde geht es zunächst nur um ganz simple Feststellungen, dass man weiss, wo oben und unten und vorne und hinten ist und um den Sonderfall der Verbiegungen und Verkürzungen.
2 MASSE und VOLUMEN - mit dem Wegfall des scharfen S in der Großschreibung haben wir hier eine schöne Doppeldeutigkeit. In dieser Einheit geht es um beides: Das Messen, also das Maß der Dinge und zugleich um deren Volumina, deren Masse. Und ganz einfach gesagt, geht es darum, Verfahren zu finden, die Ausdehnung und Wölbung von Körpern zu sehen und in 2D-Ansichten zu abstrahieren.
3 PROPORTIONEN - was sich im Vorangegangenen beim Messen und in der Beobachtung der Wölbungen der Dinge andeutete, wird hier genauer untersucht: Wie sehr Form durch das Verhältnis der Teile zueinander und dem Umgebenden bestimmt sind. Dass es so etwas wie Rhythmen in der Gestaltung gibt und dass es schon immer Versuche gab, diese in mehr oder weniger fassliche Formeln zu pressen.
4 PERSPEKTIVE - alle bisher gemachten Beobachtungen scheinen in einem Konzept der Gesamtsicht der Dinge plausibel und konstruierbar aufzugehen - wenn man den Blick fixiert auf wenige unbewegliche Punkte. Der Reiz dieser Konstruktionen liegt in der beschaulichen Dauer eines beinahe ewigen Anblicks der Dinge - und den konstruieren wir quasi mathematisch mit Zirkel und Lineal. Zumindest ansatzweise.
Einfach ausgedrückt, zeige ich Ihnen 2,3 traditionelle und klassische Ansätze, eine plausible Gesamtraumansicht zu zeichnen, in der die Dinge am richtigen Platz sind..."wie in echt"!
5 LICHT/SCHATTEN und TEXTUR - die Konstruktion von Licht und Schatten schliesst sich direkt an das Thema des Raumes an. Licht und Schatten folgen den Prinzipien des (gedachten oder konkreten) Raumes, in dem sich eine Lichtquelle (ob künstlich oder natürlich) befindet. Dass das Licht und der Schatten zudem noch ein Licht auf die Qualität der Oberflächen werfen, werden Sie sehen.
Die Mysterien des Raumes, Teil 1 (Mikroraum) :
Zum Auftakt nähern wir uns dem Raumphänomen in ganz kleinen Schritten, die aber einen großen Unterschied machen.
Wir sehen das Phänomen des Raumes als ein ganz einfaches Hinter- und Übereinander der Formen, die sich überschneiden und verdecken.
Die Ihnen ausgeteilte Übung aus Daucher S.48 zeigt Ihnen das auf einfachste Weise. Bitte zeichnen Sie diese Übungen nach, erfinden Sie weitere Schichtungen, Überschneidungen, Hinter- und Übereinandergeschichtetes.
Ich habe Ihnen anhand zweier ungleich grosser Knetkugeln, die sich zu einer Form verbunden als eine sehr vereinfachte Birnenform deuten lassen, gezeigt, dass es an sich nur
3 verschiedene Grundformen der Überschneidung gibt, die dem Auge plausibel andeuten, von wo aus man auf einen Gegenstand schaut.
Und dabei spielt es keine Rolle, wie gross die Form im Vordergrund ist, die Art der Überschneidung zeigt eindeutig, wo vorne und hinten oder oben und unten ist.
Dieses Darstellungsprinzip ist schnell erklärt und leicht zu verstehen. Seltsamerweise existieren dennoch tonnenweise Zeichnungen von Zeichnern, die diese Beobachtung niemals gemacht zu haben scheinen. An organisch geformten Körpern in der Natur sind diese Überschneidungen mitunter sehr subtil und vielfältig, machen aber richtig verstanden den Kern einer glaubhaften Darstellung von Körperlichkeit aus. Ohne die genaue Beobachtung dieses Phänomens nutzt Ihnen jede noch so ausgefeilte Perspektivkonstruktion und Licht -und Schattenmagie nichts, sie kriegen den Apfel oder die Birne oder was auch immer nicht "rund" und schon gar nicht zum liegen...
Übung des Abends:
1) Formen Sie aus einem Klumpen Ton, Knete oder Plastilin 2 ungleich grosse Kugeln und verbinden Sie diese zu einer annähernd birnenähnlichen Form.
Markieren Sie die Mittelachse des Körpers durch das Durchstechen eines Holzstäbchens (Schaschlikspiess tuts auch).
Zeichnen Sie dieses Gebilde aus allen nur denkbaren Positionen, von oben, unten, links, rechts, vorne und hinten und achten Sie insbesondere darauf, wie sich die Konturüberschneidungen verhalten, je nachdem, von wo aus Sie auf das Objekt schauen.
2) Im nächsten Schritt machen Sie diese Beobachtungen an einer realen, natürlichen Birne. Sie werden erleben, dass Sie mit der vorangegangenen Vorübung schon genauer zu sehen lernen, wie man das Phänomen der Überschneidung an natürlichen Körpern entdeckt, allerdings werden Sie bemerken, dass das hier schon weitaus subtiler und komplizierter ist.
Bitte zeichnen Sie eine Birne aus allen nur denkbaren Blickwinkeln und achten Sie auf die Zusammenhänge der Überschneidungen!
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