Mittwoch, 22. Februar 2012

Einheit 3 - 6.Stunde: Präsentation


Wichtig: 
Der 2. Teil des Zeichenkurses findet trotz bislang nur 6 Anmeldungen statt, wir treffen uns also wie immer Dienstags 19 Uhr am bekannten Ort. Wer sich bisher noch nicht angeldet haben sollte, aber den Kurs trotzdem fortsetzen möchte, den bitte ich, sich bei der VHS für Kurs 200861k noch anzumelden.



Zur letzten Stunde des ersten Semesters bat ich Sie, einige der in den vergangenen Monaten entstandenen Zeichnungen und Ihre Skizzenbücher mitzubringen. 


Wir haben uns eine Auswahl davon genauer angeschaut und ich versuchte Ihnen mehr oder weniger hilfreiche Kommentare und Anregungen zu Ihrer Weiterentwicklung zu geben.
Einige der gezeigten Skizzenbücher sind auf einem guten Weg. Ich möchte Sie ermuntern, jede Form der Zeichung und alle Studien, die wir noch machen werden, in das Skizzenbuch zu zeichnen, ohne dabei aber zu vergessen, auch ganz gezielt fertige und rahmbare Zeichnungen anzufertigen.


Beispiele:












Unterscheiden Sie dabei Warmzeichenübungen von Skizzen/Studien und fertigen Arbeiten, werfen Sie aber bitte nicht vorschnell vermeintlich schlecht gelungene Arbeiten weg, sondern legen Sie diese eine Weile zur Seite. Aus mancher misslungenen Arbeit kann wie von Selbst eine Idee für eine gute Arbeit wachsen, wie ein Kürbis aus dem Kompost...


Zu Beginn des nächsten Semesters werde ich Ihnen noch einmal kurz skizzieren, wie Sie allmählich Ihre Produktivität organisieren können.


Zum Abschluss folgte ein Überblick über die Themen des kommenden Semesters:



2.Semester Zeichenkurs Überblick

Der Kurs setzt über einen Zeitraum von jeweils ca. 5-6 Abenden jeweils einen thematischen und technischen Schwerpunkt, in dem auf die im ersten Semester erworbenen Kenntnisse und Fertigkeiten aufgebaut wird und in zunehmend selbst gestellten Aufgaben eigenständige bildnerische Lösungen erarbeitet werden.

Sie werden nebenbei die Kernthemen der klassischen Zeichung kennenlernen (sog. Genres)
Meine Rolle wird es sein, Anregungen zu geben, Ihre eigene Zielsetzung zu erkennen und begleiten sowie Ihnen die zur Lösung Ihrer Aufgaben notwendigen Informationen über zeichnerische Techniken, notwendige Kreativitätsimpulse und Überblick über die Hintergründe des jeweiligen Genres zu vermitteln.

Der Kurs setzt 3 verschiedene Schwerpunkte, die jeweils
- ein bestimmtes Genre,
- eine Technik und deren Materialien sowie
- ein bildnerisches Kernproblem in den Mittelpunkt stellen.


28.02./06.03./13.03./20.03./27.03./17.04. Schwerpunkt 1:

Bildnerisches Kernproblem: FLÄCHE
"Flächen" und deren Anordnung im Bildfeld, KOMPOSITION

Materialien/Technik:
Trockene Techniken wie Kohle, Kreide, Graphit, Blei + Filzstifte für sog. Notans

Genre:
Stilleben in schwarz-weiss



24.04./08.05./15.05./22.05./12.06./19.06./ Schwerpunkt 2:

Bildnerisches Kernproblem: LINIE

Materialien/Technik:
Nasse Techniken in Federn aller Art und Tuschen/Tinten + Wasser (sog. Lavage)

Genre:
Landschaft 


26.06./03.07./10.07./17.07./24.07. Schwerpunkt 3:

Bildnerisches Kernproblem: FLÄCHE und LINIE

Materialien/Technik:
Kombinationen aller erworbenen Techniken + (evtl. auch Kaltnadelradierung als Beispiel für eine einfache graphische Vervielfältigungstechnik)

Genre:
Portrait


Das konkrete Ziel jedes Schwerpunkts wird eine selbst konzipierte Arbeit zu dem jeweiligen Genre darstellen. D.h. Sie arbeiten innerhalb jedes Schwerpunkts mit der Absicht, am Ende mindestens eine vorzeigbare Arbeit zu produzieren, die Werkcharakter hat, also rahmbar und vorzeigbar ist.

Das bedeutet, dass Sie sich mit dem Prozess der Themenfindung, Planung beschäftigen und über das Skribbeln und Skizzieren allmählich das Konzept einer fertigen Zeichnung erstellen und diese dann ausführen.
Sie dürfen dazu durchaus auch gerne über die Kursabende hinaus zu Hause daran arbeiten ;-))

Ob Sie nun am Ende völlig frei arbeiten oder sich zunächst traditionelle Lösungen erarbeiten, ist unerheblich und Ihnen absolut überlassen. Ich lege allerdings grossen Wert darauf, sich die Entwicklung des Themas/Gegenstands durch die Geschichte hindurch anzuschauen und dabei kritisch anzueignen, was für Ihre Arbeit von Bedeutung ist.

Ich gehe für meine eigene Arbeit auch immer so daran, dass es mir bewusst wird, dass keine Abstraktion ohne ihren Grund in der Realität und kein Realismus ohne Abstraktion auskommt. Ich sehe das eine im jeweils anderen am Werk.


Parallel dazu bitte ich Sie selbstverständlich, die sog. Sudelhefte der Warmups sowie Ihr Skizzenbuch weiter zu pflegen und sich zunehmend mit den daraus entstehenden Aufgaben und Themen zu befassen. Ein Zeichner entwickelt sich in der Regel aus diesen Quellen heraus und erkennt in der täglichen Praxis die daraus erwachsenden Problemstellungen.

Jeder Kursabend hat weiterhin die Ihnen schon vertraute Struktur aus einem Kurzvortrag zum jeweiligen Thema, einer Buch- oder Materialvorstellung oder einer Bilderschau, sowie einige Vorschläge zu Warmups und Anregungen zu eigenen Themenstellungen (Übungen)

Dienstag, 21. Februar 2012

Einheit 3 - 5.Stunde: Perspektive II, 14.2.12

Wichtig: 
Der 2. Teil des Zeichenkurses findet trotz bislang nur 6 Anmeldungen statt, wir treffen uns also wie immer Dienstags 19 Uhr am bekannten Ort. Wer sich bisher noch nicht angeldet haben sollte, aber den Kurs trotzdem fortsetzen möchte, den bitte ich, sich bei der VHS für Kurs 200861k noch anzumelden.



Zu Beginn der Stunde habe ich Ihnen noch einmal die Grundkonstruktion der 1-Punkt- und 2-Punkt-Perspektive demonstriert. Ursprünglich vorgesehen war dann eigentlich ein umfangreicheres Programm in der Auseinandersetzung mit der klassischen 2-Punkt-Perspektive. Da das leider ausfiel, werden wir uns zu Beginn des 2.Semesters (nächste Woche) in einer konkreten Komposition noch einmal praktisch mit dieser Konstruktion befassen müssen.

Es zeigte sich nämlich rasch, dass die nur als kurze Übung gedachte Zeichnung einer einfachen weissen Kugel, die in Licht und Schatten und mit Hilfe der mittlerweile geläufigen Kreuzschraffur zu modellieren war, sehr viel mehr Zeit beanspruchte, als ursprünglich gedacht.
Wir haben kurzerhand damit den ganzen Abend verbracht (und ich habe auch etwas gelernt über Zeitplanung in dieser Einheit...).

Wir beobachteten gemeinsam anhand eines Modells und der Tafelzeichnung, welche wesentlichen Beobachtungen an einer beleuchteten Kugel zu machen sind. 

Zunächst gilt die Aufmerksamkeit der Grenzlinie zwischen Licht und Schatten (die sog. Apelleslinie, bedbug-line (leider nur englisch!) oder auch Kernschattenzone), die eine elliptisch gekrümmte Linie aufweist und nicht ganz leicht zu beobachten, geschweige denn zu zeichnen ist, da hier allerlei Reflexe und auch optische Täuschungen zu beobachten sind. Sie haben evtl. beobachtet, dass dieser Schattenverlauf eine sehr schwer fassliche, unscharf gezeichnete Verdichtung erfährt, die zum Licht zu in einen mittleren Grauwert verläuft, während sie in der Schattenzone zum Boden hin nicht immer dunkler wird, sondern tatsächlich eine Aufhellung durch reflektiertes Licht erfährt. Der Schlagschatten wiederum, den die Kugel elliptisch auf den Untergrund wirft, hat direkt unter der Kugel seinen tiefsten Grauwert und verläuft dann zusehends heller und an den Rändern unscharf werdend aus.


Die 5 wichtigsten Zonen, die sie bei allen Lichtverhältnissen beobachen sollten:


1 Direktes Licht
2 Halbschatten
3 Kernschatten
4 Reflexe der Umgebung 
5 Schlag- oder Eigenschatten






Ich habe Ihnen eine sog. black box (eine schwarz gefärbte Kiste also) demonstriert, die sich sehr gut für genaue Licht- und Schattenstudien eignet, da Sie mit ihr den Lichteinfall steuern können.






Diese möglichst genaue Beobachtungs- und Schraffierübung ist auf lange Sicht sehr nützlich, wenn es in der Zeichnung und Malerei darum geht, Körperlichkeit in Licht und Schatten glaubhaft darzustellen. Je genauer Sie hinschauen, umso mehr Schattierungen und Verläufe werden Sie entdecken und je genauer Sie diese zeichnen, umso faszinierender 3-dimensional erscheint die gezeichnete Kugelform.




Zur letzten Stunde des ersten Semesters bitte ich Sie, einige der in den vergangenen Monaten entstandenen Zeichnungen mitzubringen. Wir werden uns eine Auswahl davon genauer anschauen und ich werde bei Bedarf mehr oder weniger hilfreiche Kommentare und Anregungen zu Ihrer Weiterentwicklung geben. Zudem werde ich Ihnen konkrete Präsentationstips geben und demonstrieren.


Zum Abschluss folgt ein Überblick über die Themen des kommenden Semesters. 

Montag, 13. Februar 2012

Einheit 3 - 4. Stunde: Perspektive I und Schattierung 7.2.12


Mit der 4. Stunde der Einheit 3 nähern wir uns allmählich schon dem Ende der Einheit, die sich mit den"Werkzeugen des Sehens" beschäftigte. 
Sie haben bisher erfahren, dass alles, was Sie in vorangegangenen Einheiten sozusagen intuitiv "geschenkt" bekommen haben, nun sauer erarbeitet werden muss. 

Zu der bewussten Wahrnehmung der Körperlichkeit der Gegenstände, deren Grundformen und Ausdehnung, die Sie auch noch mühsam messend ermitteln lernten, gesellen sich nun schlussendlich Konstruktionsregeln des Raumes, die Sie als Zeichner zumindest in groben Zügen kennen sollten.

Ich habe Ihnen eine sehr kurzgefasste Geschichte der Entwicklung der Perspektive bzw. deren Wiederentdeckung in der Renaissance gegeben und Sie bei näherem Interesse insbesondere auf Brunelleschi und Alberti hingewiesen, deren (Wieder-)Entdeckungen am Anfang des Kapitels der konstruierten Raumillusion stehen, die für lange Zeit die europäische Malerei und Zeichnung bestimmte.
(Wir werden im 2.Semester sehen, dass und wie die Kunst des 20.Jahrhunderts diese Konventionen in Frage stellte und andere Begriffe des Raums ermöglichte.)

Bitte machen Sie sich immer wieder bewusst, dass Sie als Zeichner mit Hilfe der Ihnen vorgestellten Konstruktionsmodelle eine Illusion von Raum in die Zweidimensionalität des Blattes bringen.
Für architektonische Konstruktionszeichnungen ist eine gewisse Präzision in der Anwendung dieser Konstruktionsmittel notwendig, als künstlerischer Zeichner brauchen Sie nur selten diese Art von Präzision in einer Zeichnung.
Wir begnügen uns also vorerst mit den ganz einfachen Grundregeln.

Mit anderen Worten: Prägen Sie sich vorerst nur die grundlegenden Elemente der Perspektivkonstruktion ein und beginnen Sie, zeichnend und häufig manchmal auch nur bewusst beobachtend diese Phänomene auf ihre Notwendigkeit für Ihre Arbeit hin abzuklopfen.

In der Regel genügen nach meiner Erfahrung einige wenige grundlegende Linien, um den Gegenständen auf Ihrem Blatt einen plausiblen Raum zu geben.


Zentralperspektive oder 1-Punkt-Perspektive:




In dieser Stunde haben Sie mit Hilfe einer zentral befestigten Schnur ein einfaches und praktisches Hilfsmittel kennengelernt, mit dem Sie sich schnell auf dem Blatt eine ZENTRALPERSPEKTIVE  so anlegen können, dass Sie alle notwendigen und zu einem zentralen Fluchtpunkt strebenden Gegenstände einzeichnen können. Auf grösseren Formaten oder einer Leinwand können Sie die Schnur auch mit etwas Pigmentstaub einfärben und mit einem sog. "Schnurschlag" schnell die wichtigsten Linien so anlegen, dass Sie alle weiteren Linien der Zeichnung daran orientieren können.

- Die Zentralperspektive heisst so, weil alle sich zum Horizont hin verkürzenden und "stürzenden" oder steigenden Linien zu einem zentral zu denkenden Punkt streben, wobei dieser Punkt nicht notwendig genau im Zentrum des Zeichenblatts liegen muss.

- Der Horizont liegt immer auf Ihrer Augenhöhe! Wichtig ist es also, sich zu merken, dass Sie auf Ihrem Zeichenblatt mit der Anlage der Horizontlinie und dem zentralen Punkt, zu dem alle verkürzten Linien laufen, die Augenhöhe des Betrachters festlegen und damit zugleich Ihren Standpunkt! 

- Die Zentralperspektive heisst manchmal auch Parallelperspektive, weil alle Vorderansichten der Objekte immer unverkürzt parallel zum vorderen Bildrand liegen, d.h. alle vertikalen und horizontalen Linien bleiben unverkürzt.




Links: 1-Punkt-Perspektive
Rechts: 2-Punkt-Perspektive

Die Form der 1-Punkt-Perspektivkonstruktion ist sehr einfach und hat eine gewisse Sogwirkung, die es so in der Natur selten zu beobachten gibt (gerade Bahngleise oder perfekt gerade Strassen zum Horizont zu, die es eigentlich so nur in Arizona zu sehen gibt...)


Bei Santa Rosa, AZ. Aus meinem Blog zu einem "Road Trip USA", 2008.

Dennoch wird diese Perspektive gerne eingesetzt, wenn eine besonders dramatische, irreale oder zwingende Bildgestaltung angestrebt wird (z.B. Manga-Comics, Dalis surreale Räume, frühe Renaissance Stadtveduten).


Warmups (Lockerungsübungen):

1) Als Auftakt für das modellierende Zeichnen in Hell/Dunkel, galt es an diesem Abend zwei Streifen auf einem grossen Zeichenblatt anzulegen und sorgfältig mit Hilfe einer sog. Kreuzschraffur Grauwerte zu üben. Für das gegenständliche Zeichnen in Licht und Schatten sind diese Übungen unerlässlich. Die Kreuzschraffur ist dabei eine klassiche Disziplin, die zuerst etwas stur und trocken erscheint, aber Sie werden sehen, wie variantenreich sie sein kann.

Schauen Sie sich zur Erläuterung und Anregung auch gerne einmal einen Meister der Kreuzschaffur an  - Giorgio MORANDI:


Aber vorerst genügte es, dass Sie den ersten Streifen als ein kontinuierliches Band von Schwarz (=viel Schraffur) nach Weiss (= leer, also wenig bis keine Schraffur) in unzähligen und ineinandergehenden Grauwerten und den zweiten Sreifen in 4 unterscheidbare Grauwerten  schraffierten.
Bitte vermeiden Sie vorläufig unbedingt, diese Übung in einer "malerischen" Manier (sog. Schummern) anzugehen, da Sie sich damit eher um die Erfahrung bringen, wie Sie die Grauwerte gezielt und treffsicher Schicht für Schicht aufbauen und vor allem künstlerisch kontrolliert einsetzen können. Das Schummern ist auf den ersten Blick zwar schneller und scheinbar einfacher, lässt sich aber auf lange Sicht nicht gezielt und kontrolliert einsetzen und wirkt so gerne eher etwas fleckig, unschön und irgendwie "unprofessionell"...



2) Im zweiten Warmup haben Sie diese Fertigkeit der Grauwertzeichnung eingesetzt, um "Schlimme Würfel" zu zeichnen.

Auf mittelgrau getöntem Grund haben Sie mit schwarz (Grafit, Kohle etc.) und Weiss (Kreide, Farbstift etc.) deformierte Kuben gezeichnet, die Ihnen vor Augen führen sollten, dass auch ohne präzise Raumkonstruktion ein plausibler und starker Eindruck von Dreidimensionalität herzustellen ist.







Die folgende Übung bereitet Ihre Beobachtung und Aufmerksamkeit auf die Wunder des Raumes vor:

Mit Hilfe einer Acrylglasplatte können Sie überall und jederzeit erforschen, wie sich Horizont, Fluchtpunkte und Ihre jeweilige Position zueinander verhalten. 
Sie haben hoffentlich schon beobachtet und gesehen, dass der Horizont "irgendwo weit hinten in Nagold und weiter" liegt und dass sich das Bild bzw. die Fluchtpunkte, Kanten und Linien des Raumes vor Ihren Augen auf der in Ihren Blick gehaltenen Platte mit jeder Ihrer Bewegungen verändern. Was merkwürdig ist. Im Wortsinne.
Diese Übung kann man an jedem Fenster machen. Arbeiten Sie mit einem abwischbaren Filzstift, um sich Markierungen zu setzen und zu vergleichen.

Was Sie dabei lernen können: Sie sind der Boss - was den Standpunkt anbelangt, dem der Betrachter Ihres von Ihnen konstruierten Zeichenraumes folgen muss - was zugleich Stärke und Schwäche dieses (Kultur-)Konstruktes "Perspektive" ist. Auch das sollte zu Denken geben. Es gibt Modelle des Raumes, die dieser illusionistischen Guckkasten-Bühnenarchitektur nicht unterworfen sind, wie wir sie in der Kunst Japans und Chinas feststellen können.


Bücher dazu:

Simpel und praktisch, das Wesentliche:
Giovanni Givardi,
Landschaften und Perspektiven
Wien 2007

Ausführlicher, spielerischer, etwas altbacken, aber ganz lustig:
Hugo Peters
Der Äugel - Die Kunst des räumlichen Zeichnens
1964, Neuauflage 2001

(Fast zu) Ausführlich:
Henk Rotgans
Räumliches Zeichnen
Freiburg 2009

Wer sich für die klassische Anwendung des modellierenden Zeichnens interessiert:
Juliette Aristides
Classical Drawing Atelier
New York 2006
(Gibt es leider nur in englisch)

Dienstag, 7. Februar 2012

Einheit 3 - 3. Stunde: Maß und Messen, 31.1.12

In dieser Stunde führte ich Ihnen eine Menge nützlicher Hilfsmittel zur Ermittlung von Grössen-Verhältnissen vor, von denen wir einige der Reihe nach genauer kennenlernen und deren Anwendung trainieren werden.
Was zunächst trivial und wie selbstverständlich einfach erscheint, hat wie immer auch seine Tücken.
Lassen Sie sich Zeit, machen Sie Fehler, so lange und so viel es braucht - nur eines ist dabei wichtig: Lernen Sie daraus.

Das Geheimnis der ominösen "richtigen Proportionen" erfährt hier seine nüchterne Enthüllung: Es besteht einzig und allein und bloss in Mess-Übungen! Nicht mehr, nicht weniger, kein Geheimnis, keine Magie, kein Superdupersonderwerkzeug teuer beim Autor zu erstehen, kein Videoworkshop, nicht einmal ein Talent!

Nur vergleichendes Sehen. UNd weil das so langweilig ist, machts keiner und übt es kaum. Daher kommen all die schlecht geformten Objekte auf unsern Blättern oder sonstwo um uns...


Hier ist das "Geheimnis" der Form und des Designs.

Leonardo beginnt seinen Traktat über die Malerei und insbesondere seine Empfehlungen zum Erlernen der Malerei/Zeichnung mit dem Messen!
Seine Schüler sollten einen grossen Teil des ersten Lehrjahres mit nichts als nur dem Abschätzen und Messen von Grössen und Strecken verbringen. Langweilig, gewiss. Künstlerisch wenig originell, gewiss - aber von unschätzbarer Bedeutung, wenn man "realistisch" zeichnen und malen möchte.
Verunglückte Malerei/Zeichung oder besonders auffallende, originelle Gestaltung und gelungenes Design hat immer etwas mit dem Maß zu tun. Es gibt das Angemessene und das Masslose. Das alleine sollte zu Denken geben. Und zum Üben anspornen.


Unsere Übungen sollten Ihnen einige Werkzeuge vor Augen führen und deren Anwendung üben:

- Acrylglasplatte: Wenigstens A4, A3 ist perfekt für unsere Zwecke, nicht zu dick, aber auch nicht zu dünn, dass Sie sie in einer Hand halten können, ohne dass sie sich verbiegt. Eine Glasplatte ist auch ok, aber Vorsicht, Verletzungsgefahr.

Übung 1: Mit Hilfe eines abwischbaren Markers oder Fettstiftes zeichnen Sie durch die Platte schauend Ihre Umgebung, den Raum oder beliebige Gegenstände um Sie herum ab. Es geht nur um die Grössenerfahrung, also zeichnen Sie nicht zu genau, nur Höhe, Breite, Tiefe - und staunen Sie, wie die Verkleinerung der Gegenstände erscheint....

Übung 2: Die Acrylplatte liegt auf einem Blatt Papier und auf ihren Knien oder dem Tisch. Schätzen Sie Höhe und Breite einfacher Gegenstände um Sie herum ab. Beginnen Sie mit simplen Dingen wie Kartons, Tischen, Stühlen. Dann halten Sie die auf die Acrylplatte gezeichneten Markierungen gegen die realen Objekte und stellen Sie fest, wie gut Ihre Schätzung von Höhe oder Breite ist.


- Sucher/Finder: Mit Hilfe eines Papprahmens, den Sie entweder selbst aus einem festen, grauen oder schwarzen  Karton schneiden oder als sog. Passepartout kaufen und zweckentfremden können, sollten Sie sich angewöhnen, die Dinge, die Sie zeichnen möchten, visuell aus Ihrem Zusammenhang zu lösen. Halten Sie den Karton so zwischen sich und das Zeichenobjekt, bis Sie die für Sie stimmige Komposition in dem Rahmen sehen. Ein ggf. zusätzlich befestigtes Fadenkreuz hilft Ihnen, die Mitte zu bestimmen.

Übung: Legen Sie sich Zeichenobjekte auf einem Tisch oder sonstiger Unterlage zurecht und schauen Sie, welche Möglichkeiten der Wahl, der Platzierung, der Gewichtung eine einzige Vorlage bietet. Zeichnen Sie Skizzen der Kompositionen, die Sie durch den Sucher/Finder sehen.

- Bleistift / Holzstab / Pinselstiel / Stricknadel /Schaschlikspiess (je dünner, desto besser):
Simples Messwerkzeug, das Sie trotzdem nicht unterschätzen sollten. Mitunter das Einzigste, das Sie immer zur Hand haben sollten beim Zeichnen.


Den richtigen Gebrauch muss man üben. Halten Sie Ihren Standort fest und den Arm immer gestreckt, dass Sie eine konstante Vergleichsgrösse haben. Schliessen Sie beim Messen immer ein Auge und messen Sie nur einäugig. Sie erhalten einfache Vergleichsgrössen von Höhe und Breite. Mehr ist da nicht daran, aber das ist oft schon die halbe Miete, ein erstes und immer verfeinerbares Grundverhältnis, das auf Ihrer Zeichnung stimmen sollte. Es genügt oft schon, diese wesentlichen Verhältnisse zu klären. Wenn Sie das gefundene Maß auf die Zeichenfläche übertragen, haben Sie dabei die Möglichkeit, einfache Vielfache (x2 / x3) auf dem Blatt zu markieren um Vergrösserungen zu Zeichnen.

Mit dem Stab können Sie zudem beobachten, welche markanten Punkte auf einer Horizontalen liegen. Für die Vertikale geht das auch, allerdings ist da ein Lot noch praktischer.

Wenn Sie den Stab auch noch zur Bestimmung von Winkeln oder Neigungen benutzen wollen, sollten Sie darauf achten, dass Ihre Zeichenfläche gerade und aufrecht neben dem Zeichengegenstand steht, um Verzerrungen zu vermeiden.

- Lot: Das Lot können Sie sich aus einem im Baumarkt zu kaufenden Senkblei oder einem anderen beliebigen schweren Gegenstand (Schraubenmutter etc) und einer Schnur selbst bauen. Es ist ein Hilfsmittel, genauer markante Punkte in der Vertikalen zu sehen und als auf einer Linie liegend zu erfahren, was schlimme Verzeichnungen weiter auseinanderliegender Körperpartien z.B. vermeiden hilft. In der Anwendung werden Sie das sofort begreifen.




- Schnur. Dieses Hilfsmittel habe ich Handwerkern abgeschaut. Man spricht von einem sog. "Schnurschlag", mit dessen Hilfe schnell und praktisch gerade Hilfslinien auf eine Wand oder sonstige Fläche aufgetragen werden. Eine gespannte Schnur, die zuvor durch einen mit trockenem, farbigem Pigment getränkten Lappen gezogen wurde, wird kurz angezogen und losgelassen, dabei wird eine Pigmentspur auf die Zeichenfläche geschlagen.
Mit diesem Trick sind schnell Hilfslinien für die Perspektivkonstruktion erstellt. Wir werden eine weniger staubige Version des Tricks in den kommenden Stunden anwenden lernen.

Übungen:

1) In der anschliessenden Übung ging es um das eigentlich sehr einfache Verfahren, mit Hilfe des Stabes/Schaschlikspiesses erste Messerfahrung zu sammeln und diese auf einfache Grundkörper bzw. Gruppen von Körpern anzuwenden.
Es ging hier nur um die Beobachtung der oberen und unteren, sowie linken und rechten Grenze des beobachteten Körpers. Da wir es aber immer mit dreidimensionalen Objekten zu tun haben, galt es, diese als Flächen zu sehen und zu messen. Ein Auge zukneifen hilft!

2) Zunächst ohne die Regeln der Perspektivkonstruktion zu kennen, sollten Sie sich an diesem Abend intensiver mit den Grundkörpern befassen und versuchen, diese aus allen möglichen Blickwinkeln zu zeichnen:


Kugel
Quader
Würfel
Zylinder
Tetraeder






Voraussetzung ist hierbei das, was Sie bisher erarbeitet haben. Einfache Messübungen und Schätzungen helfen Ihnen, Verkürzungen und Überschneidungen zu identifizieren. Daß dabei aber immer noch irgendwie  "unstimmige" Körper entstehen, ist gewollt, denn Sie sollten nachvollziehen, was dem Zeitalter vor der Renaissance fehlte, um "stimmige" Räume zu konstruieren.


Dass das allerdings dennoch irgendwie plausible Körperlichkeit nicht ausschliesst, sollte die nächste Erkenntnis sein. Die Malerei im Übergang zur Renaissance schuf trotz Unkenntnis und einiger Verwirrung um die "richtige" Raumkonstruktion plausible Werke, der Kubismus scherte sich dann später zu Beginn des 20.Jh ganz und gar nicht mehr um den zusammenhängenden Raum, zersplitterte ihn sogar ganz bewusst in simultane Ansichten, d.h. er zeigt die Objekte von oben und unten und vorne und hinten zugleich - wie auf Ihren Übungen.